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Brief einer Mutter

Aus dem Brief von Sigrun List, deren Sohn mit SSW 24+2 und 735g geboren wurde

Liebes Team der Neonatologie Salzburg!

Nach 116 Tagen durfte ich Valentin am 19.01.2018 endlich mit nach Hause nehmen. Ein Moment, der sich schwer beschreiben lässt. Freude, Erleichterung, Ungläubigkeit, dass es nun wirklich geschafft ist (??), Angst, Unsicherheit, Lachen und Tränen zugleich…das sind die Gefühle und Regungen, die mir in Erinnerung kommen.
Kinder verändern das Leben, stellen alles auf den Kopf, machen einen Plan, der deinen eigenen Plan in der Sekunde obsolet macht und es kostet einen maximal ein amüsiertes Lächeln. Prioritäten verändern sich. Vieles wird unwichtig und tritt in den Hintergrund.
Wenn man sein Kind schon 15 Wochen früher „kennen lernt“ und so intensiv Zeit mit ihm verbringt, ist das eine ganz andere Dimension.
Ich werde nie den Moment vergessen, als mir (ich glaube, es war) Lena meinen kleinen Kämpfer das erste Mal auf die Brust gelegt hat. Krebsrot. Winzig. Zerbrechlich. Eine Stimme, die mich eher an einen aus dem Nest gefallenen Vogel erinnert hat.
Niemand, der das nicht wirklich selbst erlebt hat (nein, auch nicht ein Intensivpfleger auf der Neo), kann nachempfinden, was da in einem vorgeht. Fassungslosigkeit. Ablehnung dieser absurden Situation. Ungläubigkeit. Verzweiflung. Hilflosigkeit. Und vor allen Dingen eines: Angst.
Wenn man mit einer Vorinformation – wie sich am Ende rausstellen sollte, gottseidank einer totalen Fehlinformation – ausgestattet in diese Lage kommt, macht es das noch schwerer.
Die Wochen auf der Neonatologie haben meine Sicht dieser Thematik völlig verändert. Der Begriff NIDCAP war mir (wie wohl jedem) völlig fremd. Viele Dinge habe ich erst nach Wochen verstanden. Aber heute kann ich sagen: Valentin ist der quietschlebendige, strahlende, kerngesunde Beweis dafür, dass das nicht nur eine gute Idee ist, sondern eine absolute Notwendigkeit, weil es sicherstellt, dass die Kinder gesund nach Hause kommen.
Mir ist klar, dass Valentin einen fast lehrbuchhaften Verlauf hatte und dass es auch anders ausgehen hätte können. Dennoch bin ich überzeugt, dass die Prinzipien, die auf der Salzburger Neonatologie hier gelebt werden vor dem Hintergrund dieses Konzepts den Löwenanteil seiner guten Entwicklung beeinflusst haben.
Zu diesem Konzept gehört auch die aufopfernde Pflege, der unheimlich liebevolle Umgang sämtlicher Pflegekräfte und Ärzte und auch die verständnisvolle und stets kompromisslos freundliche Art gegenüber den überforderten Eltern. Auch wenn man wahrscheinlich zum 100sten Mal dieselbe (dumme) Frage stellt – man bekommt immer ein freundliches Lächeln und wird aufgemuntert. Das hilft enorm.
Ich bin überzeugt davon, dass z.B. Valentins Freude am Trinken (der junge Mann hat 1 Woche nach dem Heimkommen 165 ml getrunken!) viel damit zu tun hat, dass ihm Schwester Gertrud auf so liebevolle Art das erste Mal mit Sauger Trinken gezeigt hat.

Der Weg einer Familie durch verschiedene Modelle einer Intensivstation

Maria Egger-Naderlinger

Im Juli 2016 kam mein Sohn Timon reifgeboren, aber lebensunfähig mit einer Zwerchfellhernie, Lungenhypoplasie und pulmonalen Hypertension sowie multiplen Ventrikelseptumdefekten auf die Welt. Er hatte massive Probleme mit seiner Atmung und Herzfunktion. Es war eine intensivmedizinische Versorgung bis hin zur Herz-Lungen-Maschine notwendig, um meinen Sohn am Leben zu erhalten. Timon verbrachte seine erste Lebenswoche und später noch mehrere Wochen auf dieser Station.
Die erstbehandelnde Ärztin der Division für Neonatologie in Salzburg, Dr. Erna Hattinger-Jürgenssen, meinte damals, dass sie in ihrer Berufslaufbahn noch nie ein so schwer führbares Baby gehabt hatte wie Timon. Ihre Beschreibung meines Sohnes lautete: „Egal, was man macht, er tut, was er will!“
Timon war 20 Wochen durchgehend im Krankenhaus. In diesen Wochen benötigte er auch die Betreuung an einem Spezialzentrum außerhalb der Division für Neonatologie. So kam es, dass wir zwischen vier Intensivstationen in zwei Krankenhäusern in unterschiedlichen Bundesländern wechselten. Dabei erlebte ich, wie unterschiedlich die Betreuung sein kann.
Während der vielen Wochen wuchsen meine Erfahrungen mit Timons Befinden und mit den Maßnahmen, die ihn unterstützten oder ihm auch schadeten. Nachdem ich als Mutter die Einzige war, die ihn durchgehend begleiten und beobachten konnte, waren meine gesammelten Erfahrungen ein riesiger Schatz. Meine gezogenen Schlüsse hatten keinen theoretischen Hintergrund, sondern ergaben sich aus den Beobachtungen und der Intuition.

Die unterschiedlichen Erfahrungen betrafen nicht nur den Umgang mit Timon, sondern auch den Umgang mit mir als seiner Mutter und mit seinen Geschwistern. Um dies verständlich zu machen, möchte ich im Folgenden bestimmte Situationen detailliert betrachten.

Miteinbeziehung in Entscheidungen sowie Qualität bzw. Quantität des Informationsflusses
Auf der Division für Neonatologie in Salzburg wird versucht, alle Details zu kommunizieren und die Eltern bei den Entscheidungen in höchstem Maß mit einzubinden. Dies entspricht dem Konzept der familienzentrierten Betreuung.
Auf anderen Stationen erlebte ich in unterschiedlichem Ausmaß, dass der Informationsfluss lückenhaft war und keinesfalls alle Details weitergegeben wurden; selten wurde ich über Timon ganzheitlich informiert. Informationen erfuhr ich des Öfteren zufällig. Betonen möchte ich, dass es aus organisatorischen Gründen natürlich zu Verzögerungen in der Weitergabe von Informationen bezüglich einer Adaptation der Therapie oder Veränderungen des Zustands des Kindes kommen kann. Dennoch sollte die lückenlose, transparente Weitergabe aller Informationen lege artis sein. Wichtige Entscheidungen fanden auch ohne Miteinbeziehung der Eltern statt.
Umgang mit Timon und Durchführung von Pflegehandlungen
Es existieren tatsächlich Stationen, die mit der Pflege von Kindern betraut sind, auf welchen aber das Personal großteils keine pädiatrische Ausbildung vorweisen konnte. Der Unterschied zeigte sich etwa dadurch, dass das Personal auf den Stationen mit pädiatrischer Kompetenz mit Timon nicht nur, wenn er wach war, sondern auch im sedierten oder schlafenden Zustand auf verschiedenen Ebenen kommunizierte. Pflegehandlungen wurden Timon angekündigt, und im Idealfall fand eine Initialberührung von Timon statt.
Miteinbeziehung von Eltern bei der Pflege und Versorgung des Kindes
Im Kinderzentrum Salzburg fragte man mich sowohl auf der Division für Neonatologie als auch auf der Pädiatrischen Intensivstation, ob ich mein Kind selbst pflegen möchte, was und wann ich die Pflege machen möchte und ob ich Unterstützung benötige. Die Division für Neonatologie ermöglicht dies vom ersten Augenblick an, soweit das medizinische Equipment das Pflegen und Berühren zulässt. In einem anderen Krankenhaus wurde die Pflege grundsätzlich vor dem Beginn der Besuchszeit durchgeführt, damit das Pflegepersonal ungestört seine Tätigkeiten verrichten konnte. Auf meine Frage hin wurde mir mitgeteilt, dass die Eltern auch als „störend“ erlebt werden. Betonen möchte ich bei diesem Punkt, dass Berührungsängste seitens der Eltern durchaus bestehen können. Deshalb ist es wichtig, sie bei ihrer Entscheidung, inwieweit sie aktiv bei der Versorgung mitwirken wollen und können, frei wählen zu lassen.
Regelung der „Besuchszeiten“
Nach dem Wechsel vom Kinderzentrum Salzburg ins nächste Krankenhaus erfuhr ich einen „Kulturschock“. Wurde mir im Kinderzentrum Salzburg vermittelt, „Mutter und Kind gehören zusammen und dürfen nicht getrennt werden“ und folglich gebe es auch keine „Besuchszeiten“ für Eltern, so wurde nach dem Wechsel plötzlich vom Personal bestimmt, wann ich zu meinem Kind durfte. Das Personal meinte: „Wir wissen, wann ein Besuch für Sie und Ihr Kind gut ist!“. Man dachte, dass wir als Eltern uns leicht überfordern und Besuchszeiten uns vor zu viel Belastung schützen.
Hingegen werden für mein Empfinden im Kinderzentrum Salzburg die Eltern als Eltern gesehen, in manchen anderen Kinderzentren nur als gewöhnliche Besucher. Ich möchte hierbei betonen, dass ich ausschließlich den Umgang mit Eltern auf solchen Intensivstationen beschreiben kann, auf denen mein Sohn betreut wurde. Meine diesbezügliche Erfahrung kann daher keine allgemeine Gültigkeit für andere Stationen der betroffenen Krankenhäuser beanspruchen.
Umgang mit Geschwisterkindern
Auch bei diesem Thema erlebte ich einen völlig anderen Umgang in verschiedenen Intensivstationen. Im Kinderzentrum Salzburg ist der Zugang für die engsten Familienangehörigen jeden Alters jederzeit möglich, sofern es der Gesundheitszustand sowohl des kleinen Patienten als auch der Familienmitglieder erlaubt. Selbst bei Verdacht auf eine Erkältung durften meine Kinder nach einer ärztlichen Untersuchung, gegebenenfalls mit Mundschutz, ihren Bruder sehen.
Im nächsten Krankenhaus durften sie aufgrund der Ansteckungsgefahr von Kinderkrankheiten ihren Bruder grundsätzlich nicht besuchen. Welche Auswirkungen die Regelung des Besuchsverbots auf die Psyche der Kinder darstellte, wurde leider nicht berücksichtigt.
Anwesenheit der Eltern bei akuten Eingriffen oder auch routinemäßigen medizinischen oder pflegerischen Maßnahmen
Auch bei diesem Thema herrschten unterschiedliche Sichtweisen zwischen den Krankenhäusern bzw. Stationen. An der Division für Neonatologie in Salzburg wird die Anwesenheit der Eltern kurz besprochen und meist als positiv gesehen. Für mich war es wichtig wahrzunehmen, was mit meinem Kind passiert und wie es ihm aktuell geht. Mit dem Halten des Kindes können wir Eltern auch zur Stabilisierung und zum Gesundwerden unseres Kindes beitragen. Natürlich ist es verständlich, dass dies nicht von allen Eltern gewollt bzw. ertragen wird. Allerdings sollte die Möglichkeit grundsätzlich bestehen, als Eltern die Freiheit zu haben, darüber autonom entscheiden zu können. Unerträglich war für mich die Warteposition in anderen Krankenhäusern bzw. Stationen, in denen ich nicht wusste, wie es meinem Kind geht und was geschieht.

Da das Betreuungskonzept der Division für Neonatologie in Salzburg in meiner persönlichen Reflexion genau das bot, was für jedes betroffene Kind und dessen Familie am besten in dieser belastenden Situation ist, entwickelte sich mein Wunsch, für die Etablierung dieser Betreuungsform für alle betroffenen kleinen KämpferInnen aktiv zu werden. Denn ungeachtet dessen, auf welcher Station die kleinen ErdenbürgerInnen betreut werden: Es geht immer um das Kind und die Eltern, die sich in einer Ausnahmesituation befinden. Deshalb sind eine familienzentrierte Begleitung und ebensolche Betreuung ausnahmslos von zentraler Bedeutung für das Gesundwerden und -bleiben.

Die Salzburger Neonatologie: Unser Zuhause auf Zeit

Teresa Mayr-Vieth

Der Aufenthalt auf einer neonatologischen Intensivstation ist oft eine für Außenstehende nicht nachvollziehbare Ausnahmesituation, die den betroffenen Familien alles abverlangt. Dies trifft besonders dann zu, wenn die Kinder in einer frühen Woche geboren werden oder geboren werden müssen.
Meine Zwillinge Johannes und Sebastian mussten in der SSW 27+0 per Kaiserschnitt auf die Welt geholt werden (selektive Wachstumsretardierung bei monochorialen Gemini). Am dritten Tag verstarb unser Sohn Johannes, und wir verbrachten weitere drei Monate mit Sebastian auf der Division für Neonatologie der SALK.
Bereits kurz nach der Entbindung durften mein Mann und ich mit unseren Kindern kuscheln, wie Känguruhen im Alltag bezeichnet wird.
Darüber hinaus konnten wir von Anfang an 24 Stunden am Tag bei unseren Kindern sein. Ich kann mir keinen anderen Weg vorstellen, meine Kinder unter diesen Voraussetzungen in die Welt zu begleiten. Kinder und insbesondere Frühgeborene müssen die Möglichkeit zu unbegrenztem Kontakt mit ihren Eltern haben. Denn eigentlich wären sie ja noch symbiotisch über die Nabelschnur mit der Mutter verbunden. Auch für das Bonding ist ein unbegrenzter Kontakt zu den Eltern unbedingt erforderlich. Das gehört zum Glück im Salzburger Landesklinikum zur Tagesordnung.
So konnten wir auch unseren Sohn Johannes begleiten und mit ihm kuscheln. Er durfte auf der Brust meines Mannes für immer einschlafen. Für Eltern und Kinder in einer solchen Ausnahmesituation sind diese Rahmenbedingungen ebenso wie die einfühlsame Begleitung durch Ärzte und Schwestern extrem wichtig.
Nach dem Tod unseres Sohnes Johannes wurden mein Mann und ich im Elternrefugium aufgenommen.

Das sind Räumlichkeiten mit Schlafzimmern, Küche und Aufenthaltsbereichen, in denen die Eltern der frühgeborenen Kinder während der Zeit auf der Neonatologie wohnen können und auch verpflegt werden. Dieses Angebot ist extrem wichtig, denn im Kampf um das Überleben des Nachwuchses können sich Eltern nicht auch noch um die eigene Nahrungsaufnahme oder auch um alle anderen täglichen Grundbedürfnisse kümmern. Das Elternrefugium befindet sich in der Nähe der Neonatologie, wodurch auch Besuche in der Nacht und die prompte Unterstützung des Personals auf der Station bei der Pflege oder dem Sondieren möglich sind. Die Nähe trug bei mir auch maßgeblich zu einer guten Milchbildung und Abpumpmenge bei. Den ersten Stillversuch konnten wir bei einem Gewicht von rund 1500 Gramm wagen. Zu diesem Zeitpunkt benötigte Sebastian noch eine Atemunterstützung mit diversen Kabelanschlüssen zur Überwachung der Blutgase und erhielt noch Infusionen. Die sehr gute Stillberatung und das elternzentrierte Konzept der Salzburger Neonatologie ermöglichte es mir, meinen Sohn nach der Entlassung voll zu stillen.

Sobald die Kinder groß und fit genug sind, dürfen sie mit den Eltern im Familienzimmer wohnen. Das ist auf der einen Seite eine Zeit großer Verantwortung; auf der anderen Seite ist es aber das lang ersehnte Ziel, endlich das eigene Kind 24 Stunden bei sich zu haben. Endlich konnte ich wirklich 24 Stunden mit meinem Kind zusammen sein, und es gab sogar eine eigene Milchpumpe im Zimmer und einen kleinen Balkon.
Meine Freude schlug aber schnell in Erschöpfung um. Nach den ersten vier Tagen im Familienzimmer war ich so entkräftet, dass ich extreme Wortfindungsstörungen hatte. Doch die Zeit im Familienzimmer gab mir auch viel Hoffnung, es bald nach Hause zu schaffen.
Das Fachpersonal, die architektonischen Besonderheiten der Station und die sonstigen Rahmenbedingungen bieten eine optimale Unterstützung, um eine derartige Reise überstehen zu können. Besonders hilfreich in dieser Zeit war, wie bereits erwähnt, der 24-Stunden-Zugang zur Station, auch im Hinblick auf den arbeitenden Vater. Ebenso durften andere Familienmitglieder (Oma, Opa, Tante, Onkel u. a.) die Neonatologie besuchen und Unterstützung leisten. Meine beiden Söhne wurden bereits auf der Station getauft.

Im Rahmen der NIDCAP-Beobachtungen durch ausgebildete NIDCAP Professionals wurden Fotos gemacht, die zusammen mit Texten in ein Erinnerungsbuch von unserem Sohn Johannes geklebt wurden, das wir nun wie einen Schatz hüten. Auch die psychologische Betreuung auf der Station und das Angebot einer offenen Frühchengruppe im Anschluss an den Aufenthalt sind mir sehr positiv in Erinnerung geblieben. Ebenso erleben die Eltern auf der Neonatologie in Salzburg eine kompetente Unterstützung im Hinblick auf bürokratische und organisatorische Dinge durch das Case and Care Management.

Leben mit einem Frühgeborenen auf der Neonatologie und Zuhause

Anna Ruech

Nach 12-jähriger Tätigkeit im Pflegeteam der Neonatologie, in der ich auch gemeinsam mit DGKS Elisabeth Stemmer für die pflegerische Planung des EBZ tätig war und die Anfänge des Case and Care Managements mit aufgebaut habe, kam ich bei der Geburt meines zweiten Kindes selbst in die Situation, Mutter eines Frühchens zu sein.

Die Geburt
Ohne jegliche Vorzeichen wurde ich in der SSW 25+6, nach einer Routinekontrolle beim Gynäkologen, mit der Rettung in die SALK gebracht.
Völlig fassungslos und unter Schock und der Risiken voll bewusst, war ich plötzlich in der unglaublichen Situation, selbst Patientin in „meinem“ Krankenhaus und wahrscheinlich Mutter eines Frühgeborenen auf „meiner“ Station zu werden.
14 Tage verbrachte ich ausschließlich liegend, im Wechsel auf der Präpartalstation und in den Geburtsräumen. Tokolytika und Antibiotika setzten meinem Körper zu. Schlimmer jedoch war die Angst um das ungeborene Kind, aber auch um die fast dreijährige Schwester zuhause, die plötzlich, ohne es verstehen zu können, von ihrer Mama getrennt war. Auch die Angst, dass das Kind nicht überleben könnte oder eine schwere Beeinträchtigung des Kindes unser aller Leben verändern würde, und die Angst, dass die Schwester der psychischen Belastung nicht gewachsen sein könnte, war groß. In der SSW 27+6 (also 3 Monate zu früh) kam Paul per Spontangeburt zur Welt. Nach der Erstversorgung entsprechend dem LISA-Protokoll wurde er mit CPAP-Beatmung auf die Neonatologie gebracht.
Auf der Neonatologie
Paul war zu Beginn sehr unruhig und tolerierte kaum eine Manipulation. Er brauchte eine Atemhilfe, konnte aber selbst atmen.

Paul wurde über eine Magensonde ernährt. Die Nahrungsmenge konnte aber nur sehr langsam gesteigert werden. Seinen Kalorien- und Nährstoffbedarf erhielt er mittels Infusion über einen zentralen Venenkatheter. Am zweiten Tag wurde eine Hirnblutung Grad 1 diagnostiziert. Von Beginn an wurde Paul nach dem NIDCAP-Konzept betreut. Dadurch war Paul bald ruhiger und stabiler und konnte seine Energie für eine stabile Atmung nutzen. Wenn es aber nicht möglich war, Paul bei der Pflege zu koregulieren, dann konnte man gut beobachten, dass er sich zunehmend erschöpfte.
Hier muss ich zu NIDCAP als DGKS vor der Geburt meines Sohnes Stellung nehmen. Natürlich war NIDCAP ein ständiges Thema auf der Station und bei der Planung des EBZ. Jeder hatte bereits Schulungen und hat sich bemüht. Durch den Neubau des EBZ waren endlich auch die Rahmenbedingungen zur besseren Umsetzung geschaffen.
Aber, ob ich so wirklich daran geglaubt habe?
Die Auswirkungen auf das frühgeborene Kind lernte ich „so richtig“ erst durch meinen Sohn kennen. Wir hatten das Glück, sehr viel durch NIDCAP Professional Hans Binter betreut zu werden. Wir wurden zu jeder Manipulation an unserem Kind hinzugerufen. An Paul wurden nur wirklich notwendige Pflegehandlungen durchgeführt und diese bestmöglich organisiert. Das Licht im Zimmer wurde immer so gedämmt wie möglich gehalten, die verschlossene Tür ließ kaum Geräusche von außen herein. Beim Känguruhen neben dem Inkubator fühlte man sich fast wie in einer kleinen Höhle. Es herrschte viel Ruhe im Raum. Dies wäre auf der „alten“ Neonatologie niemals möglich gewesen. Die ersten Besuche bei meinem Kind waren sehr ambivalent. Diese vertraute Station, die ich mitgestaltet hatte, plötzlich als Mutter zu besuchen und zu realisieren, dass das Kind im Inkubator das Eigene ist, löste bei mir das Gefühl aus „im falschen Film zu sein“. Einige Freunde sagten zu mir: „Du kennst dich wenigstens aus.“ Ich muss sagen, dies macht die Sorgen leider nicht geringer. Es sind nur „andere“ Sorgen. Zu genau wusste ich Bescheid über Komplikationen, die noch hätten kommen können. Pauls Papa dagegen hat sich vor jedem Alarm fürchterlich erschreckt, weil er immer Angst hatte, dass sein Kind jetzt sterben könnte. Diese Angst ist schrecklich. Das ist uns als Pflegepersonal oft gar nicht so bewusst. Auch die Trennung vom Geschwisterkind stellte eine erhebliche psychische Belastung dar. Man möchte ausreichend für das frühgeborene Kind da sein, ohne das Geschwisterkind zu vernachlässigen, und man will diesem vor allem auch die Möglichkeit geben, aktiv am Familiengeschehen teilzuhaben.
Ich hätte nie gedacht, wie wenig Zeit Eltern eines frühgeborenen Kindes neben der Betreuung ihres Kindes bleibt. Jeder Tag sieht anders aus, jeder Tag ist ungewiss.
Foto Paul2
Es gab für uns leider keine Möglichkeit, im Elternrefugium oder im Ronald McDonald Haus zu wohnen. Die 30 km Fahrstrecke von unserem Zuhause nach Salzburg war definitiv zu weit, um im Winter mehrmals täglich und vor allem auch nachts hin und her zu pendeln. Wir hatten erfreulicherweise dann die Möglichkeit, eine Kurzzeitwohnung, ca. 10 min. von der SALK entfernt, privat zu bekommen.
Wenn Paul unruhig war, war aber sogar das eine ganz schön lange Zeit, in der ihn die Pflegepersonen beruhigen mussten, damit seine Atmung weiterhin stabil blieb.
Für eine Mutter, die sich eigentlich noch im „Mutterschutz“ befindet und zur ausreichenden Milchbildung noch viel Ruhe brauchen würde, war alles ganz schön stressig. Es war wirklich sehr viel zu tun: 8-mal täglich Abpumpen der Muttermilch, vier-sechs Stunden Känguruhen, Pflege von Paul, Kochen, Essen und auch Zeit zum Spielen mit der Schwester, Aufräumen der Wohnung, Besorgungen machen, die Wäsche zum Waschen zu Freunden bringen. Oft mussten dazwischen auch noch Termine wie Gespräche mit der Psychologin, Case Management und Stillberatung Platz haben. Pauls Vater arbeitete meist zu Mittag, wenn die große Schwester ihren Mittagsschlaf hielt, und am Abend lange bis in die Nacht hinein am Computer, um am Tag Zeit für unsere Tochter und für Paul zu haben. An zwei bis drei Tagen der Woche half uns meine Familie bei der Betreuung unserer Tochter, damit der Vater auch einmal ins Büro gehen konnte. Ja, die Tage waren sehr voll.
Nach gefühlt unendlichen vier Wochen durften wir mit Paul in ein Familien-Zimmer ziehen. Wir waren sehr erleichtert. Es wurde zwar vieles einfacher, bedeutete für mich aber auch eine Trennung von meiner Tochter, da sie an einem Infekt erkrankt war und nicht zu ihrem Bruder durfte. Die Pflegepersonen haben uns aber in dieser Zeit sehr unterstützt und es ermöglicht, noch ausreichend Kraft für die Zeit zuhause zu schöpfen.

Zuhause!
Zum Zeitpunkt der Entlassung konnte Paul noch sehr wenig Nahrung selbst aufnehmen und musste großteils sondiert werden. Wir durften dank meiner langjährigen Erfahrung trotzdem nach Hause. Ich organisierte mir schon vor dem Nachhause-Gehen eine Caritashilfe zur stundenweisen Entlastung des Haushalts. Meine Schwester, welche früher selbst auf der Neonatologie Innsbruck tätig gewesen war, kam für einige Tage unterstützend hinzu. Sie übernahm teilweise das Sondieren der Nahrung in der Nacht. Auch Pauls Papa lernte das Sondieren und so konnten wir uns in der Nacht abwechseln. Unser Wohnzimmer sah aus wie ein NIMCU-Zimmer. Auf einer langen Kommode war das Zubehör für Abpumpen und Füttern sowie für die Anreicherung der Muttermilch angerichtet. Paul wurde im Schlaf von einem Heimmonitor überwacht. Das beruhigte mich als Intensivpflegerin sehr. Auch Zuhause versuchten wir das NIDCAP-Konzept so gut wie möglich umzusetzen und achteten vor allem auf wenig Licht und Lärm. Besucher haben wir noch einige Zeit vertröstet. Eine Woche vor dem errechneten Geburtstermin begann Paul an der Brust zu trinken. Ab dem Zeitpunkt des errechneten Geburtstermins verhielt sich Paul wie ein reif geborenes Kind. Er trank die für ihn ausreichende Menge an Muttermilch selbst von der Brust und er atmete ohne Atempausen. Er sah sogar aus wie ein reif geborenes Kind. Seinen Monitor behielt er nachts bis zu seinem 1. Geburtstag, aber ich glaube, nur für mich. Er hätte ihn nicht gebraucht.
Heute ist Paul 6 Jahre alt. Er geht in den Kindergarten und kommt im Herbst in die Schule. Er zeigt keine Auffälligkeiten und ist ein gesunder, lustiger, netter, sozialer und manchmal auch ein wilder Bub. Auch äußerlich kennt man ihm seine Frühgeburtlichkeit nicht an.
Paul hat seinen Start super gemeistert, und ich würde sagen, dass er sich vom Tag seines errechneten Geburtstermins an wie ein reifgeborenes Kind entwickelt hat.
Ich bin als Mutter, aber auch durch meine langjährige Tätigkeit in der KIKRA (Kinderhauskrankenpflege Salzburg), in der ich viele frühgeborene Kinder nachbetreut habe, und durch meine Tätigkeit als Dipl. Reittherapeutin, in der ich ebenfalls mit den Folgen der Frühgeburtlichkeit konfrontiert bin, überzeugt, dass die Veränderung der Betreuung durch das LISA-Protokoll, das NIDCAP-Konzept und die Optimierung der Ernährung von Beginn an einen wesentlichen Einfluss auf seine Entwicklung gehabt haben.

Bei uns Eltern hat dieser Start allerdings schon seine Spuren hinterlassen. Wir denken nicht gerne an diese Zeit zurück. Pauls Vater kann der Neonatologie bis heute noch nicht wirklich einen Besuch abstatten, da die Alarme der Monitore noch immer Unbehagen auslösen. Es wäre für ihn bestimmt hilfreich gewesen, wenn er auch als Vater eine psychologische Unterstützung in der Zeit des stationären Aufenthalts erhalten hätte. Pauls Schwester erkrankte während der Zeit auf der Neonatologie an Neurodermitis. Es war ein langer Weg, bis sich ihre Haut wieder erholte. Als sie ein Jahr später auf der Neonatologie zu Besuch war, flammten die Symptome sofort wieder auf. Ich habe lange gebraucht, bis ich es geschafft habe, mit dem Schreiben dieses Artikels zu beginnen. Man taucht nicht gerne wieder in die Emotionen einer schwierigen Zeit ein, die gefühlt, Gott sei Dank, schon sehr lange zurück liegt. Wir sind aber sehr froh, heute eine gesunde und glückliche Familie sein zu dürfen! Deshalb habe ich diesen Artikel OÄ Dr. Erna Hattinger-Jürgenssen zuliebe geschrieben, da sie in dieser Zeit sowohl als Oberärztin als auch als Freundin eine wahnsinnig wichtige Stütze für mich und meine Familie war.

Fachpersonal

Die Bedeutung von Intensivtagebüchern für die Eltern von Frühgeborenen

Julia Monika Hofbauer

Da ich großes Interesse an Pflegeforschung und -wissenschaft habe, entschloss ich mich, nach meinen ersten zwei Jahren auf der Neonatologie an der PMU in Salzburg berufsbegleitend ein Bachelorstudium zu absolvieren. Dadurch konnte ich kleine Aspekte aus dem Stationsalltag aus dem Blickwinkel der Pflegewissenschaft betrachten, sei es, um gewisse „alte“ Richtlinien zu hinterfragen und vor dem Hintergrund der Empirie zu beleuchten oder sei es auch, um Studien zu bestimmten Fragestellungen aus der Praxis zu suchen und zu vergleichen.
Im Rahmen meines Masterstudiums durfte ich eine eigene Studie erstellen. Nach wochenlangem Überlegen und Grübeln über ein spannendes Thema hatte ich ein sehr einschneidendes Erlebnis. Auf der Division für Neonatologie wurden im Jahr 2014, inspiriert durch eine Abschlussarbeit von G. Gurnig, sog. Intensivtagebücher eingeführt. Es handelt sich um DIN-A5-Notizbücher, welche während der Zeit des Aufenthalts bei uns gefüllt werden: mit dem Geburtsgewicht und dem ersten Fußabdruck, Fotos, Einträgen von Eltern, Großeltern, Geschwistern und vor allem dem Pflegepersonal. Meist werden die Tagebücher mit bunten Stiften innen und außen bemalt oder mit Stickern verziert.
Eines Tages beobachtete ich eine Mutter von Drillingen, welche jeden Abend mindestens eine Stunde damit verbrachte, in die Intensivtagebücher ihrer Kinder zu schreiben. Mir fiel auf, dass sie immer in das Tagebuch eines Kindes über die beiden anderen schrieb. Sie verfasste sehr lange Texte – es war sozusagen ihr Abendritual. So stellte ich mir die Frage, ob hinter den Tagebüchern eine tieferliegende Bedeutung für die Eltern von Frühgeborenen steckt. Ich suchte Literatur, aber speziell für Frühgeborene gab es wenig aussagekräftige Studien. Das Thema meiner Masterarbeit war geboren. Das Ziel der Studie war es, die Bedeutung von Intensivtagebüchern für die Eltern von Frühgeborenen auf der neonatologischen Intensivstation darzustellen. Es konnte herausgefunden werden, dass die Tagebücher den Eltern helfen können, zu „vertrauen, dass alles gut wird“.

Die Tagebücher stellen unter anderem eine Form der Kommunikation mit dem Kind dar. Sie helfen das Erleben, im Krankenhaus zu sein, zu reduzieren. Dies geschieht zum einen durch die bunte Gestaltung, aber auch durch eine Art Entdigitalisierung. Auch können die Tagbücher helfen, die Beziehung zum Pflegepersonal zu stärken, indem eine leichtere Zuordnung von Namen stattfinden kann und die Eltern durch die Gestaltung der Einträge das Gefühl haben, dass sich die Pflegekräfte liebevoll um ihre Kinder kümmern – vor allem, wenn Einträge gemacht werden, wenn die Eltern nicht bei ihrem Kind sein können und sie lesen können, was in ihrer Abwesenheit passiert ist.
Das Lesen des Tagebuchs kann den Eltern helfen, die Situation zu bewältigen, indem sie den Verlauf über längere Zeit verfolgen. Auch wenn von Tag zu Tag nur kleine Verbesserungen zu sehen sind und auch Rückschläge auftreten, lässt sich im Gesamtverlauf ein Fortschritt beobachten. Neben dem Lesen der Tagebücher kann der Prozess des Schreibens an sich für die Eltern eine wichtige Strategie der Bewältigung sein. Es bietet die Möglichkeit, durch die Einträge Gefühle mit anderen Lesern des Tagebuchs zu teilen. Manchmal hilft es den Eltern auch zu schreiben statt zu sprechen, denn nicht immer möchte man in schwierigen Situationen über seine Gefühle oder Sorgen reden. Das Tagebuch fungiert dann als stiller Zuhörer. In den Interviews zeigte sich immer wieder, wie wichtig es vielen Eltern ist, sich ihre Gedanken und Gefühle von der Seele zu schreiben, um mit der psychischen Ausnahmesituation nach einer Frühgeburt oder Geburt eines kranken reifgeborenen Kindes fertig zu werden. Die Intensivtagebücher können somit auch eine große Unterstützung im Verarbeitungsprozess für die Eltern darstellen.

„Aber ich glaube, durch die ganze Betreuung und besonders auch durch das Tagebuch eben habe ich auch wirklich (…), ich glaube einfach eine ganz andere Einstellung auch gekriegt zu dem Ganzen. Also es hat mir wirklich geholfen, dass ich sage, ich sehe die positiven Sachen und nicht die negativen.“ (Lena).

Die Gefühle und das Erleben von Vätern frühgeborener Kinder

Johann Binter

„Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so hilflos gewesen“
Im Rahmen einer Ausbildung führte ich eine Untersuchung mit Vätern frühgeborener Kinder auf der Neonatologie durch. In Interviews konnte ich in die Erlebenswelt der Väter mit ihren vielen Facetten eintauchen.
Die Geburt eines Kindes wird als kritisches Lebensereignis betrachtet (Vonderlin 1999). Dieser Umstand erfordert eine hohe Anpassungsleistung der Betroffenen. Wenn der zusätzlich belastende Faktor der zu frühen Geburt hinzukommt, kann sich daraus eine bedrohliche Krise entwickeln und die beschriebenen Gefühle gut erklären. (Deeney 2009). Der Fokus wissenschaftlicher Forschung konzentrierte sich lange Zeit auf das mütterliche Erleben. Es gibt kaum Untersuchungen, die sich explizit mit den Gefühlen und Belastungen von Vätern frühgeborener Kinder beschäftigen. In meiner Untersuchung wurden Erkenntnisse über das Erleben und die emotionalen Herausforderungen von Vätern frühgeborener Kinder während des Aufenthalts auf einer neonatologischen Intensivstation gewonnen.

Wechselbad der Gefühle
Die Emotionen der Interviewten sind während der Phase der stationären Versorgung ihrer Kinder durch Ambivalenz gekennzeichnet:
› „Nach der Geburt hat man absolut gemischte Gefühle. Da weiß man nicht, was wirklich los ist.“
› „Ich denke, dass es uns immer schlimmer hätte treffen können.“
Das Erleben ist geprägt von Sorgen und Angst, bis hin zu euphorischen Gefühlen.
Positive Gefühle
Die Geburt eines Kindes wird allgemein mit positiven Gefühlen und Glück assoziiert. Trotz starker Belastungen erleben Väter frühgeborener Kinder die Phase nach der Geburt als freudiges Ereignis, welches Glücksgefühle erzeugt. Die folgenden Aussagen stellen dies bezeichnend dar:
› „Es ist eine sensationelle Mischung aus Glücksgefühl und Neugierde.“
› „Das erste Mal ist wirklich aufregend, spannend. Ein schönes Gefühl, das Kind jetzt richtig zu spüren.“
Sie erleben in dieser Zeit mit ihren Kindern berührende Momente und tiefe emotionale Erlebnisse:
› „Auf einmal hörst du dann einen Schrei, das war schon irgendwie berührend.“
› „Da bist du voll geflasht.“
Negative Gefühle
Die Dominanz von negativen Emotionen ist allgegenwärtig. Im allgemeinen Tenor wird ausgedrückt, dass die Situation primär als schockierendes Ereignis erlebt wird:
Der bei der Geburt erlebte Schock geht in ständig präsente Angst und Sorge über.
› „… die Ärzte haben am Vortag gesagt, es kann noch ein paar Wochen dauern … und am nächsten Tag liegt sie schon im Kreißsaal … Ich habe es erst einmal nicht glauben können.“
› „Es war eigentlich nur ein Schock primär, weil ich mit dem überhaupt nicht gerechnet habe. Das ist ja viel zu früh, dreißigste Woche.“
Die zu diesem Zeitpunkt vorherrschende Gemütslage ist von Ängsten und Sorgen geprägt, die sowohl das Kind als auch die Frau betreffen:
› „Sorge ist gleich Angst dann im Endeffekt.“
› „Da habe ich eigentlich mehr Angst um meine Frau als um das Kind.“
› „Ich habe Angst, dass das Kind etwas hat.“
Die angenommene existenzielle Bedrohung äußert sich ebenso in intensiver Angst, die bis hin zur Panik wahrgenommen wird:
› „Es war eigentlich primär Angst und Panik.“
Die erlebten Gefühlsschwankungen können durchaus ambivalente Reaktionen bei den Vätern hervorrufen, die für die in die Betreuung des Kindes involvierten Personen schwer nachvollziehbar sind.
Dimensionen des Erlebens von Vätern frühgeborener Kinder
Eine Vielzahl von identifizierten Belastungen und positiven Erfahrungen wirken auf die Väter frühgeborener Kinder ein.
Die Kernfamilie als Modulator von Gefühlen
Die Kernfamilie, bestehend aus Kind und Partnerin, nimmt im Erleben der Väter eine übergeordnete Position einnimmt. Das Aussehen des Kindes und medizinische Gefährdungen können Berührungsängste bei den Vätern auslösen. Zum anderen gibt es auch deutlich positive Faktoren, die auf das Erleben der Väter einwirken. Diese sind vorzugsweise Situationen während des Kontakts mit dem Kind und werden durch das Verhalten des Kindes generiert. Dazu gehört beispielsweise das Öffnen der Augen und von Vätern positiv interpretierte Mimik des Kindes. Des Weiteren wird Hautkontakt in Form von Känguruhen als besonders intensives Erlebnis dargestellt. Auch die aktive Rolle in der Betreuung des Kindes wird positiv erlebt (Lindberg 2008).
Bezogen auf die Partnerin wird in meiner Studie transparent, dass deren psychische und physische Verfassung eine Belastung auslösen kann. Hier verhalten sich Väter typisch männlich und übernehmen die Beschützerrolle.
Informationen
Eine weitere Dimension in dieser Erhebung stellt der Informationsfluss dar. Diesbezüglich konnten konträre Positionen eruiert werden. Einerseits erleben Väter Informationen als zu umfangreich, während andererseits, individuell wahrgenommen, über mangelhafte Information berichtet wird. Dieser Umstand wird durch das (stark intra- und interpersonell variierende?) Informationsbedürfnis von Vätern frühgeborener Kinder begünstigt. Es scheint unmöglich zu sein, eine für alle geeignete Dosis der Information zu finden. Diese muss wahrscheinlich individuell abgestimmt werden, dies verlangt vom Informanden ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen.
Generell kann festgehalten werden, dass die Schilderung möglicher Szenarien als belastend empfunden wird, z. B.: „Sie haben halt gesagt, was allgemein alles sein kann, und da habe ich mir gedacht, ja, hoffentlich nicht.“ Aber auch spärliche Informationen über mögliche Szenarien stellen einen Belastungsfaktor dar. Die Väter finden sich in einer ausgelieferten Position wieder und empfinden sich als passive Empfänger von Informationen. Diese Situation fördert das Bestreben, sich Informationen eigenständig zu beschaffen. Dies kann gemäß den Befragten ebenso zu einer großen Belastung führen, da im Internet Informationen ungefiltert, unkommentiert und in zahlloser Menge abrufbar sind.
Demgegenüber kann festgehalten werden, dass Väter erhaltene Informationen positiv beurteilen, wenn sie diese zeitnah und mit der nötigen Ernsthaftigkeit erhalten. Besonderes Augenmerk sollte hierbei auf die anschauliche und verständliche Aufbereitung von Informationen gelegt werden. Widersprüchliche Aussagen sind in diesem Zusammenhang absolut zu vermeiden.
Personal
Dem Personal der Station kommt im Erleben der Väter eine große Bedeutung zu. Die Mitarbeitenden werden von den Vätern sehr konträr wahrgenommen. Einerseits wird mangelndes Vertrauen in das Personal angeführt, das auf fehlende Sympathie, individuell bewertetes Fehlverhalten und die Heterogenität der BetreuerInnen zurückzuführen ist. Andererseits wird im Gegensatz zu vorliegenden Studien von den Befragten eindeutig hervorgehoben, in die Pflege der Kinder involviert zu sein und vom Personal der Station dabei unterstützt zu werden, was als sehr positiv und beruhigend empfunden wird. Spezielle Aufgaben helfen Vätern, ihre Kontrolle wiederzugewinnen.
Schuldfrage
Eine weitere belastende Situation entsteht durch den Versuch der Väter, die Schuldfrage zu klären. Verantwortliche werden für die prekäre Lage ausfindig gemacht und auch in den Interviews deutlich angesprochen. Unter anderem wird die eigene Frau oder auch das Kind verantwortlich gemacht.
Umwelt der Intensivstation
Die Umwelt der Intensivstation wird als eine herausfordernde Situation erlebt. Ausschlaggebend ist die Vielzahl an unbekannten Geräten und die ungewohnte Geräuschkulisse. In diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse der vorliegenden Studie jedoch sehr erfreulich. Die Befragten fanden deutlich positive Assoziationen zur Gestaltung und der architektonischen Umsetzung der Station.
Alltagsleben
Die Veränderungen des Alltagslebens und die Neuorganisation des Alltags wird von Vätern frühgeborenen Kinder belastend erlebt. Die Interviewten verdeutlichen, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse gänzlich in den Hintergrund stellen. Eine zusätzliche Belastung stellt das Gefühl dar, mit niemandem sprechen zu können. Sie fühlen sich in ihrem Freundeskreis nicht ausreichend verstanden. Dagegen findet die emotionale Unterstützung durch das familiäre Umfeld besondere Erwähnung.

Die Ergebnisse und Erkenntnisse der Untersuchung zeigten deutlich, mit welchen Belastungen und Herausforderungen Väter frühgeborener Kinder konfrontiert werden. Eine große Problematik sieht Pohlman (2009) in der weiblich dominierten Umwelt einer Neugeborenen-Intensivstation. Frauen und Männer sehen ihre Welt durch die eigene „Geschlechterbrille“. Es scheint, dass Frauen die Bedürfnisse und Gefühle von Männern schlecht beurteilen können und es zu Fehleinschätzungen kommt. Den Vätern sollten die Aufmerksamkeit und der Stellenwert eingeräumt werden, den sie auch verdienen.
Die Ergebnisse stellen wichtige Erkenntnisse für den klinischen Alltag dar und bieten Möglichkeiten, die Begleitung von Vätern frühgeborener Kinder zu optimieren. Im Besonderen sollte die Informationsweitergabe verbessert, eine maximale Integration der Väter in die Betreuung ihrer Kinder angeboten sowie die Bildung von Kernteams für die Betreuung der frühgeborenen Kinder und ihrer Familien angestrebt werden.

Es erfüllt mich mit Freude und Stolz, dem Team der Division für Neonatologie anzugehören. Wir sind bemüht, uns unsere Stärken und Sensibilitäten, die kleinen und großen Herausforderungen und die Ziele von NIDCAP stets vor Augen zu halten, um eine bestmögliche Begleitung der Familien zu gewährleisten.
Ein Wunsch? Nein, unser Auftrag!

Keine Privatsphäre auf der Neonatologie

Leserbrief Salzburger Fenster – 24.2.07

Die Neonatologie in Salzburg hat nicht umsonst einen ausgezeichneten Ruf. Es wird alles getan, um die kleinen und großen Katastrophen für Babys und Eltern zu lindern und den Eltern die Angst zu nehmen, die verständlicherweise bei „Frühchen“ vorhanden sind.
Das Neo-Team verdient hier allergrößten Respekt für die ausgezeichnete Betreuung.
Leider müssen Sie das auf engstem Raum tun, in einem Raum von circa 16 m² halten sich vier Babys, 4-8 Eltern, zwei Pflegepersonen, zwei Ärzte auf, sowie dreimal täglich eine Reinigungskraft. Noch beengter ist es durch 3-4 Schaukelstühle, Intensivausstattung, Wickelplatz und Badewanne, Schreibtisch und Baby Waage. Privatsphäre mit dem eigenen Kind: null.
Das ist unzumutbar als Arbeitsplatz und für die Eltern: bei dem Stress und dem Lärmpegel von hunderten Tönen und Alarmen an Geräten.
Wir bewundern die Schwestern, Pfleger, Ärzte und Ärztinnen, das Reinigungspersonal, die trotz dieser extremen Beengtheit so super arbeiten. Aber: nur weil Frühchen so klein sind, heißt es noch lange nicht, dass sie keinen Platz brauchen!
Die Eltern verbringen da zwischen einigen Tagen bis zu vier Monaten, teilweise 8 Stunden täglich.

Wir bitten daher die politisch Verantwortlichen, endlich für die Kleinsten da zu sein und das Neonatologie Zentrum schnellstens zu realisieren. Wer einmal erlebt hat, wie hier der Alltag aussieht, und was hier unter diesen Bedingungen geleistet wird, muss alle anderen Investitionen hintanstellen. Jeder Tag in diesem „Schuhkarton“ ist eine Zumutung für die kleinsten Menschen, die Eltern und das Personal.

Fam. Zone / Dr. Hemetsberger – seit 54 Tagen auf der Neo
Fam. Mag. Singer / Mag. Schuster – seit 84 Tagen auf der Neo

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